Motorsport in Deutschland – Eine Bestandsaufnahme

Ob zwei oder vier Räder: Deutschland und der Motorsport gehören untrennbar zusammen, und das seit den Anfangstagen der Automobilgeschichte. Das erste Rennen von “pferdelosen” Wagen (und einem frühen dreirädrigen Motorrad, das allerdings nicht bis ans Ziel kam) erstaunte die Welt im Jahr 1894 in Frankreich. Insgesamt gingen 21 Fahrer in Paris an den Start, wo sie von 30.000 Zuschauern bejubelt wurden. Die Ziellinie lag 126 Kilometer weit weg in Rouen.

So jung die Automobile als Erfindung auch waren – der erste Verbrennungsmotor war gerade mal 8 Jahre alt -, so vielfältig war der Antrieb. Außer Verbrennungsmotoren gab es dampfgetriebene Wagen und sogar Fahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb, für die es erste, spärliche Ladestationen gab. Die 126 Kilometer von Paris nach Rouen waren ein echter Härtetest. Fast zehn Stunden brauchte der erste Fahrer, um sein Fahrzeug über die Ziellinie zu steuern. Weitere 6 Fahrer machten es ihm nach. Der Rest war unterwegs liegen geblieben. Zum Sieger kürte der Veranstalter, der Herausgeber der Zeitung “Le Petit Journal”, die französischen Hersteller Panhard & Levassor sowie Peugeot. Kriterien waren Sicherheit, Einfachheit und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.

Das Erfolgsrezept der Gewinner lag allerdings unter der Haube: ein von Gottlieb Daimler in Württemberg entwickelter Motor, der von einem Gemisch aus Mineralöl und Benzin angetrieben wurde. Der Daimler-Motor besaß zwei Zylinder und kam auf 3,5 Pferdestärken. Die Höchstgeschwindigkeit lag zwar erst bei 20,5 Stundenkilometern, aber dem Siegeszug der Autos stand nichts mehr entgegen. Außer Daimler hatte ein zweiter deutscher Ingenieur dazu maßgeblich beigetragen. Carl Benz meldete am 29. Januar 1886 sein erstes Auto zum Patent an. Daimler, der unabhängig von Benz an seinem Motor bastelte, war zwar einige Monate langsamer beim eigentlichen Fahrzeugbau, aber dafür setzte er seinen Verbrennungsmotor in das erste vierrädrige Automobil der Weltgeschichte ein. Daimler war zudem auch gemeinsam mit Wilhelm Maybach an der Erfindung des ersten benzinbetriebenen Motorrads im Jahr 1885 beteiligt.

Motorradrennen breiteten sich noch schneller aus als Autorennen, vor allem, weil sie so viel kostengünstiger aus umgerüsteten Fahrrädern und einem kleinen Motor herzustellen waren und auch ohne gute Straßen auskamen. Straßenrennen und Geländefahrten wurden bald in halb Europa ausgetragen. Die erste “Tourist Trophy” auf der Isle of Man wurde 1907 gestartet und ist noch heute eines der berühmtesten Motorradrennen der Welt. Während Deutschland sich anfänglich vor allem durch hervorragende Ingenieurskunst und Innovation bei der Entwicklung auszeichnete, wurden auch hier allmählich international renommierte Rennen eingeführt. Der Name Mercedes-Benz, der 1926 nach dem Zusammenschluss von Daimler und Benz entstanden war, wurde dabei rasch zum Vorbild. Daimlers Chefkonstrukteur Maybach hatte bereits 1901 den ersten Vier-Zylinder-Reihenmotor für Daimler gebaut, der auf 35 PS kam. Die bei der Rennwoche in Nizza eingefahrenen Triumphe läuteten die “Ära Mercedes” ein. Endgültig zum Mythos wurde Mercedes Benz auf dem 1927 eröffneten Nürburgring. Gleich beim ersten Rennen belegten die inzwischen 180 PS starken Mercedes-Benz S die Plätze 1 bis 3. Im siegreichen Fahrzeug saß Pilot Rudolf Caracciola, der seinen Triumph 1928 und 1931 wiederholte.

Fast 100 Jahre später gilt der als “grüne Hölle” bewunderte und gefürchtete Nürburgring weiterhin als eine der schönsten und zugleich gefährlichsten Rennstrecken der Welt. Deutschlands berühmtester Rennfahrer, Formel 1-Pilot Michael Schumacher, wurde hier zur Legende. Insgesamt 5 Mal gewann der siebenfache Weltmeister hier den Großen Preis von Deutschland. In der ewigen Tabelle der Formel 1 liegen deutsche Rennfahrer auf Platz 2, was die Gesamtzahl der Weltmeistertitel anbelangt. Nur Großbritannien hat noch mehr Champions hervorgebracht, wobei Mercedes-Benz-Star Lewis Hamilton nicht nur gleichauf mit Schumi liegt, sondern bis vor kurzem auch der unbestrittene Favorit bei den Wetttips aller Buchmacher von Sportwetten war.

Das hat sich aufgrund von Problemen mit dem neuerdings schwarz lackierten Boliden aus Deutschland zwar inzwischen geändert, und der Niederländer Max Verstappen im Red Bull gilt als neuer König der Piste, aber der Popularität von Motorsport aller Art hat das in der Bundesrepublik trotz Mangels an herausragenden Fahrern keinen Abbruch getan. Außer dem Formel 1 Grand Prix ziehen das ADAC 1000 Kilometer-Rennen als der Klassiker unter den Langstreckenrennen, 24-Stundenrennen, Oldtimer-Rallyes, Deutsche Tourenmeisterschaft, Truck-Meisterschaften, Motorradrennen und mehr Fans zum Nürburgring in die Eifel. Der Hockenheimring in Baden-Württemberg ist ein weiterer Klassiker im deutschen Motorsport. Formel 1 Rennen waren hier ebenfalls lange beheimatet. Heute werden hier unter anderem die ADAC GT Masters und die Deutsche Tourenwagen Masters ausgetragen.

Fans von Motorradrennen zieht es in der Bundesrepublik bevorzugt zum Sachsenring. Die Anfänge der Rennstrecke zwischen Chemnitz und Zwickau reichen bis zurück 1927, ins gleiche Jahr, in dem der Nürburgring eröffnet wurde. Hier werden unter anderem die MotoGP und die ADAC GT Masters ausgefahren. Die jüngste Rennstrecke in Deutschland ist der 2000 eröffnete Lausitzring, der auch als EuroSpeedway bekannt ist. Bei den Trackdays können Rennfans ihre Fähigkeiten testen. Aber auch Tuning-Events, Drag Races und gemeinsame Sprintrennen für Profis und Amateure sorgen für Adrenalinschübe bei heulenden Motoren und quietschenden Reifen. Der Motorsport und Deutschland sind halt seit den Anfangstagen noch immer untrennbar miteinander verbunden, doch was wird die Zukunft bringen?

Fotos: Harry, Team 75 Bernhard