Keine Chance gegen Merli – Glanzvolles Event in Osnabrück

Europameister Christian Merli machte mit seinen Gegnern beim aktuell größten Bergrennen Deutschlands, 54. Int. Osnabrücker ADAC Bergrennen kurzen Prozess. Nach einem spannenden Duell unter den Herausforderern errang Eric Berguerand den zweiten Platz. Bester Deutscher auf Gesamtrang 5 war der aktuelle EM-Dritte Alexander Hin. Ein schönen Einstand in der „Königsklasse“ lieferte Georg Lang im V8-Osella, mit meist 55er Zeiten und Gesamtrang acht ab.

Nach den drei Trainingsläufen auf der 2030 Meter kurzen Strecke bei Borgloh vor den Toren Osnabrücks schien die Ausgangslage noch offen, wenngleich Christian Merli (Foto oben) bereits die Bestzeiten vorgelegt hatte. Der diesjährige Schweizer Rekordsieger Eric Berguerand haderte jedoch noch mit seinem Auto, weil er eine kleinere Reifendimensionen ausprobierte und den Lola-Cosworth dadurch nicht mehr wie gewohnt spürte. Auch Marcel Steiner kam im LobArt mit Helftec-Honda-Turbomotor nicht auf die gewünschten Zeiten. Der Berner war aber immerhin Zweitschnellster unter einem Dutzend großer Dreiliter-Rennsportwagen aus der Gruppe E2.

Rekordfahrt und Dreher mit Happyend
Gleich im ersten Rennlauf am Sonntagmorgen, den er wegen verschmutzter Piste zweimal antreten durfte (angewärmte Reifen waren sicher kein Nachteil), realisierte der Italiener als erster Fahrer bei dem seit 1968 zum 54. Mal ausgetragenen Bergrennen in Norddeutschland mit 49,817 (Schnitt 145,71 km/h) eine Zeit von unter 50 Sekunden. Damit hängte der dreifache Europameister mit seinem optimalen Osella FA30 mit Zytek-V8-LRM-Motor alle Gegner gleich um zwei Sekunden und mehr ab. Nach 50,154 im zweiten Durchgang war sein vierter Tagessieg in Osnabrück nach 2016, 2017 und 2019 – jeweils in Rekordzeit – schon vor dem finalen Sprint klar. In diesem brachte Merli das Kunststück fertig, sich wegen Schaltproblemen in einer von Leitplanken und Reifenstapeln begrenzten Kurve zu drehen, ohne dabei anzuschlagen.

Berguerand holt Trainingsrückstand auf
Den zweiten Platz nahm nach dem ersten Lauf Eric Berguerand und nach dem zweiten Lauf Marcel Steiner ein, allerdings trennte sie nur eine Zehntelsekunde. Der Franzose Sébastien Petit (Foto Mitte), alter und nun neuer Gesamtsieger im FIA Hill Climb Cup, witterte wie der Schweizer Meister ebenfalls noch seine Chance auf den Ehrenplatz hinter Merli. Alle drei drehten im dritten Rennlauf auf, verbesserten sich dabei aber unterschiedlich gut. So kam es, dass zuerst Petit Steiner vom zweiten Platz und dem ersten bei den Sportwagen verdrängte, ehe Berguerand mit 50,998 als Zweitschnellster des Tages auch den zweiten Gesamtrang übernahm. Eric Berguerand: «Mir hatte der komplette Samstag gefehlt, weil ich den Wagen wieder auf die großen Räder umbaute. Erst im dritten Rennlauf war ich dann dort, wo ich am Sonntag hätte beginnen sollen. Aber näher als bis auf eine halbe Sekunde wäre ich Merli wohl nicht gekommen. Er ist halt ein Profi. Daher bin ich mit diesem Ausgang des Rennens vollauf zufrieden. Es hat Spaß gemacht und war motivierend, mit mehreren starken Gegnern um Platz 2 zu kämpfen.»

Trostpflaster für Steiner
Derweil fand Steiner keine Erklärung, warum er bei weitem nicht an seine Bestzeit von 2019 mit dem schwächeren Mugen-V8-Motor (P2 mit 50,615) gekommen war. Marcel Steiner: «Es ist, wie es ist. Ich hatte mit neuen Reifen nicht die erhofften und eigentlich gewohnten Fortschritte vom Training zum Rennen gemacht. Und so hat mich halt auch Petit noch um 16 Hundertstel geschlagen.» Wenigstens durfte er sich als Vierter wie der fünftplatzierte Alexander Hin, der mit dem Ex-Lampert-Osella der mit Abstand schnellste Deutsche der Gegenwart ist, aufs erweiterte Gesamtpodium stellen. Dieses verpassten Joël Volluz und Robin Faustini in ihren Osella FA30 nur um Sekundenbruchteile. Beide waren mit ihren eigenen Bestzeiten durchaus zufrieden und sie wissen wie Steiner, dass für die Zukunft noch Luft nach oben haben.

Klassensieg für Burgermeister
Für einen Schweizer Sieg sorgte Joel Burgermeister im Tatuus-Abarth F4 evo. Wie Merli bei den stärksten Rennsportwagen, liess der Thurgauer seinen mehrheitlich mit Formel-3-Wagen gestarteten Gegnern keine Chance, fuhr drei 56er-Zeiten und gewann so verdient die Zweiliterklasse der Rennwagen. Als vierter dieser international bärenstark besetzten Klasse war Patrick Rahn mit persönlicher Bestzeit, gut unter einer Minute, bester Deutscher.

Tourenwagensieger aus Frankreich
Schnellster aller Tourenwagen und GT-Fahrzeuge war der Franzose Nicolas Werver (Foto unten) in seinem neu aufgebauten Porsche 997 GT3 R-Monster, nach FiA Performance Faktor. Als Einziger unterbot er zum Schluss die Minutenmarke. Den E1-Rekord von Ronnie Bratschi von 2019 (57,338) konnten auch der Tscheche Dan Michl im Lotus Elise und der südafrikanische „King of the Hill“ Pieter Zeelie in einem Toyota MR2 Turbo nie gefährden. In der Gruppe E1 über 3000 ccm freute sich Holger Hovemann tierisch über seinen ersten Klassensieg im überarbeiteten Opel Kadett V8, erstaunlich knapp vor dem Schwelmer Andrä Schrörs im Lotus Esprit GT2. Als einziger Tourenwagenpilot aus der Schweiz kam der 23-jährige Newcomer Kyrill Graf im BMW M3 GTR in dieser Klasse auf den fünften Rang.

Nächstes Gipfeltreffen im Schweizer Jura
Gelegenheit zur Revanche bietet sich einigen der internationalen Teilnehmer in Osnabrück am übernächsten Wochenende beim Schweizer EM-Lauf St-Ursanne–Les Rangiers. Eric Berguerand, der seit seinem schweren Unfall nie mehr dort startet, wird dieses Geschehen dann als Unbeteiligter aus der Ferne betrachten und erst eine Woche später in Oberhallau (mit KW Berg-Cup) wieder angreifen. In der Deutschen Bergmeisterschaft geht erst Anfang September im unterfränkischen, beim Bergrennen Eichenbühl in die Schlussphase der Saison 2022.

Resultate: www.berg-zeitnahme.net

von Peter Wyss – autosprint.ch

Über Thomas Bubel 761 Artikel
Thomas Bubel ist Jahrgang 1966, verheiratet und hat zwei Kinder. Er berichtet seit 20 Jahren in Wort und Bild über Bergrennen. Seit 1991 ist er Pressesprecher seines Heimatvereins Homburger Automomobilclub und des Homburger ADAC Bergrennens. Seit 11 Jahren betreibt der freie Journalist und Fotograf "Bergrennen in Deutschland", die Webseite für alle am Berg.