
Er ist wirklich ein Unikum, der gute alte Léon! Alt, das darf man in diesem spezifischen Fall durchaus schreiben, ohne es abwertend zu meinen oder gar dem Mann mit dem so typischen, inzwischen längst von grau auf weiß übergegangenen Schnurrbart Unrecht zu tun. Im Gegenteil: gerade weil Léon Linden seit nun bereits 60 Jahren, ja, über einem halben Jahrhundert, im Automobilsport aktiv ist und sich nach wie vor mit ungebrochenem Ehrgeiz und Kämpferwillen ins enge Cockpit seines Formel-Rennwagens zwängt, erfüllt er irgendwie auch eine Vorbildfunktion für eine ganze Generation rüstiger Pensionäre, welche längst noch nicht dran denken, sich aufs Altenteil abschieben zu lassen.
Und wenngleich der Petinger wohl als der insgesamt dienstälteste Sportler des Großherzogtums Luxemburg angesehen werden dürfte, kann sich so manch jüngerer Athlet aus den unterschiedlichsten Sportarten an Léons Fitness und der Akribie, mit der er sich immer wieder den Herausforderungen des Wettbewerbs stellt, ein Beispiel nehmen. Nach Rückschlägen, wie etwa jenem vor fünf Jahren, als ihn ein Motorschaden am Lkw ereilte, mit dem er sein Rennfahrzeug zu den unterschiedlichen Veranstaltungen im In- und vor allem Ausland bringt, hadert er zwar in der ihm gewohnten Manier lautstark mit dem Schicksal, ohne sich jedoch entmutigen zu lassen, sogar dann nicht, wenn die erhoffte Lieferung der Ersatzteile sich mitten im Sommer unerwartet lange hinzieht und ihn letztlich sogar zwingt, einen vorzeitigen Schlussstrich unter die damalige Saison 2013 zu ziehen.
Noch ein Beispiel gefällig? Bitteschön! Als „sacré Léon“ vor einem guten Jahrzehnt beim Bergrennen Eschdorf – wo er seit der allerersten Ausgabe auf der Startliste fungiert – kurz nach der Zieldurchfahrt von der Strecke abkam und seinen Dallara-Opel an einem Hausgiebel in seine Einzelteile zerlegte, rechnete niemand ernsthaft damit, dass er bereits wenige Wochen später in Wolsfeld nahe Echternach wieder an die Startlinie rollen würde. Tag und Nacht hatte der ehemalige Werkstatt-Vorsteher bei der Luxemburger Eisenbahngesellschaft CFL und gelernte Automechaniker geschraubt, um sein Fahrzeug wiederherzurichten, „aufgeben“ gehört eben nicht zu Léons Wortschatz. „Ich hatte damals ein klein wenig zu lange auf die Zeitenanzeige geschaut und war unkonzentriert“. Seine unnachahmliche und zu weilen witzige Art kam aber auch in diesem Moment zum Vorschein. Als sich bei den Bergungsarbeiten die Hausbesitzern aufgeregt mehrfach bei Léon erkundigte, ob es ihm denn gut gehe, meine er nur lapidar „Madame, soll ich es ihnen beweisen“.
Am 26. Mai 1936, also vor fast genau 80 Jahren geboren, war Léon Linden während der ersten Jahrzehnte seiner exemplarischen Motorsportkarriere vor allem als Co-Pilot solch bekannter Luxemburger Fahrer wie Nicolas Koob oder Aly Kridel auf Europas Rallyepfaden (Monte Carlo, Akropolis,…) unterwegs, griff zwischendurch aber auch immer wieder selbst ins Lenkrad dieses oder jenes bei Rennfahrerkollegen ausgeliehenen Fahrzeugs: „Damals konnte ich mir einfach noch kein eigenes Einsatzfahrzeug leisten, andererseits fuhr jedoch stets die Angst mit, jemandem das Auto kaputt zu fahren“. Erst als sein beruflicher Aufstieg und so manche Entbehrungen es ihm erlaubten, einen eigenen BMW 1602, später dann einen VW Golf GTi und anschließend einen Renault 5 GT Turbo einzusetzen, verlagerte er seine motorsportlichen Aktivitäten vermehrt auf die Disziplin der Bergrennen, wo er inzwischen bis heute auf bald 700 Teilnahmen zurückblicken kann. Nach zahlreichen Siegen bei den Serien-Tourenwagen der Gruppe N wagte er Ende der 1980er den Sprung zu den einsitzigen Rennwagen der Formel 3, um schließlich 2006 und 2009 seine lange Karriere mit zwei Landesmeistertiteln am Berg zu krönen.
Aktuell ist Léons größtes Problem Helfer und Mechaniker zu finden, die ihn bei seinen Rennteilnahmen begleiten, oftmals ist der Altmeister mutterseelenallein unterwegs. „Das ist doch sehr mühsam, wenn du dich um alles selbst kümmerst und keiner da ist der dir bei den Startvorbereitungen behilflich ist, was bei einem Formel-Rennwagen ja besonders wichtig ist. Ich habe die letzten Jahre schon zahlreichen Anzeigen in Zeitungen geschaltet um Leute zu finden, aber etwas Zählbares kam nicht heraus“. Nicht desto trotz bereitete sich Linden wie jedes Jahr mit einem umfangreichen Fitnessprogramm auf die Rennsaison vor und auch übers Jahr hinweg betreibt er regelmäßig Sport zur körperlichen Ertüchtigung. „Ich war im Frühjahr in Spanien und bin mit dem Rennrad über 1.000 km gefahren“. Auch auf den Straßen Luxemburgs kann man den rüstigen Rennpiloten des Öfteren auf seinem Rennrad antreffen, dazu steht oftmals schwimmen auf seinem Trainingsplan. Seine vielen Aktivitäten sind wohl der Schlüssel seines Erfolges. Léon ist auf jeden Fall ein absolutes Vorbild. Weiter so lieber Léon Linden!
von Patrick Weber und Thomas Bubel